Tagebuch à la Sheila Hicks: Spektakuläre Textilkunst

Beitragsbild: Sheila Hicks, Aprentizaje de la Victoria, 2008–2016 © Sheila Hicks / VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Cristobal Zañartu

In Düsseldorf fand die erste große Einzelausstellung der faszinierenden Textilkünstlerin Sheila Hicks in Deutschland statt. In Zusammenarbeit mit dem Josef Albers Museum in Bottrop wurde eine textile Welt gezeigt, die begeistert.

Wer ist Sheila Hicks?

Sheila Hicks, geboren am 24. Juli 1934 in Hastings, Nebraska, studierte an der Yale School of Art und war Schülerin des legendären Josef Albers.

Ihre Abschlussarbeit schrieb sie über präinkaische Textilien. In einer Zeit ohne Schrift waren diese Textilien das Sprachrohr der Identität: Sie verrieten, zu welcher Familie jemand gehörte und welchen Platz er in der Gesellschaft einnahm.

Nach Abschluss ihres Studiums 1957 erhielt Hicks ein Fulbright-Stipendium, um alte Andenwebereien in Chile zu studieren. Sie nutzte die Gelegenheit, den Kontinent zu bereisen und seine reichen künstlerischen Traditionen zu erforschen.

Die Begegnung mit dem textilen Kunsthandwerk Lateinamerikas erweiterte Hicks’ künstlerischen Horizont enorm, immer wieder ließ sie sich von den lokalen Kulturen und alten Techniken der Stoffherstellung inspirieren.

Seit 1964 lebt sie in Paris, wo sie auch ihr Atelier hat.

Was macht Sheila Hicks?

„Was kann man mit einem Faden machen?“ Diese Frage treibt die Künstlerin immer wieder an. Sie selbst bezeichnet sich jedoch nicht als Textilkünstlerin, sondern als Malerin und Bildhauerin. Ihre Werke entstehen aus Fäden, Textilien und Kleidungsstücken. Manchmal erinnern sie – wie zum Beispiel bei den Flachreliefs – an farbenfrohe Bilder à la Mark Rothko oder Gerhard Richter. Die Flachreliefs sind mit Fäden umwickelte Leinwände, die wie ein Gemälde wirken. Sie können von beiden Seiten betrachtet werden.

Installationsansicht SHEILA HICKS, Kunsthalle Düsseldorf 2024 © VG Bild-Kunst Bonn, 2024

Sie schafft auch lebendige Skulpturen wie ihre Collums, Fadenbündel, die zu majestätischen Säulen gebunden sind und wie Wasserfälle von der Decke fallen oder fließen.

Auf die Frage, warum gerade Textilien, antwortet sie: „Weil sie formbar, beweglich und leicht zu transportieren sind.“

Typisch für Sheila Hicks sind ihre Kugeln (Grand Boules) – ein immer wiederkehrendes Motiv in ihrem Werk. Der Kern jeder Kugel besteht oft aus Kleidungsstücken, die mit mehreren Lagen verschiedenfarbiger und unterschiedlich dicker Schnüre und Fasern umwickelt sind. Es entstehen bunte Bündel, quasi persönliche Zeitkapseln. Denn die eingewickelten Kleidungsstücke gehörten ihr selbst oder Freunden und Verwandten und bewahren so Erinnerungen an diese Menschen.

Grand Boules, 2009, Sheila Hicks

Beeindruckend sind auch die „Lianes“. Das sind an verschiedenen Stellen gebündelte Fadenstränge, das Umwickeln des Garns ist ein Hilfsmittel, um beim Färben bestimmte Stellen vor der Farbe zu schützen, so entsteht das typische Ikat-Muster. Sheila Hicks hingegen behält den gebündelten Zustand bei. Die Fäden werden kunstvoll auf einer Stange drapiert und mit etwas Abstand zur Wand aufgehängt. Es entsteht ein faszinierender plastischer Eindruck.

Installationsansicht, Sheila Hicks Labyrinthe du paradis, 2024 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Die „Minimes“ sind kleinformatige Arbeiten, die auf einem Handwebstuhl entstehen, den Sheila Hicks immer bei sich trägt. Auf ihren Reisen verarbeitet sie damit ihre Erlebnisse. Sie webt Landschaften und Architektur, aber auch Menschen, denen sie begegnet. Manchmal fügt sie auch Fundstücke und Materialien ein, seien es Muscheln, Zweige oder Schnürsenkel. Es ist ihr gewebtes Tagebuch. Zugleich dienen die Mini-Webarbeiten auch als Skizzen und sind ein kreatives Experimentierfeld für zukünftige Arbeiten.
Die Künstlerin selbst vergleicht die Tätigkeit des Webens mit der des Schreibens – beides geschieht in aufeinander folgenden Zeilen.
Bis heute hat die Künstlerin über tausend „Minimes“ geschaffen.

Warum ist das, was sie macht, besonders?

Hicks malt mit Fäden und schafft Skulpturen aus Textilien – eine einzigartige Verschmelzung von Handwerk und Kunst. Ihr Anspruch ist es, immer wieder neue Techniken auszuprobieren. Ihre Arbeiten sind daher sehr verspielt, abwechslungsreich und immer wieder spannend zu entdecken. Durch die verwendeten Techniken wirken die Werke modern und frisch.

“I don’t want to go do something I know how to do. I want to go do something I don’t know how to do. I don’t want a legacy. I just want to have fun while I’m here.”

Aber was macht ihre Arbeit für uns so berührend? Es ist die Botschaft, die sie vermittelt.

“I like to play and work and invent things that have crossover meaning.”

Fäden, Textilien und Kleidungsstücke sind Träger kultureller Botschaften, Bedeutungen, Erinnerungen und Emotionen. Genau das nutzt Sheila Hicks, um ihren Arbeiten Tiefe zu verleihen und uns zu berühren.

Fazit

Textilien sind aus unserer Kultur und unserem Leben nicht wegzudenken. Sie haben für uns alle eine besondere Bedeutung. Sheila Hicks nutzt das Textile nicht nur als Medium, sondern auch als Ausdrucksmittel ihrer Botschaft:

„Textilien sind eine universelle Sprache. In allen Kulturen der Welt sind Textilien ein entscheidender und wesentlicher Bestandteil“, so Hicks.

Ich finde die Kunst von Sheila Hicks so faszinierend, weil sie das Textile mit immer neuen Techniken atemberaubend in Szene setzt. Die Farben sind lebendig. Das Konzept der in Textilien eingewobenen Erinnerungen berührt mich sehr und erinnert mich an die neueren Arbeiten von Louise Bourgeois. Hier wird deutlich: Textilien sind nicht nur Material und Rohstoff. Sie sind Träger und Bewahrer von Geschichten und Emotionen.

Die Idee meiner poetischen Mode ist es ebenfalls eine Botschaft zu vermitteln – sei es direkt über die eingestickten und eingenähten Zitate oder subtiler über die im Entwurf verwebte Idee. Jedes Modell verkörpert diese Botschaft und lädt uns ein, darüber nachzudenken oder sie einfach als Inspiration und positiven Gedanken in den Tag mitzunehmen.

Interessante Links zum Weiterlesen:

https://www.sheilahicks.com/

https://www.wissenschaft.de/gesellschaft-psychologie/die-wirkung-von-kleidern-psychologie-in-der-mode/

https://www.kulturstiftung.de/gewebte-welt/

https://www.fordfoundation.org/news-and-stories/videos/sheila-hicks-begin-with-thread/

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