Buchstapel-Heidenreich

Elke Heidenreich: Männer in Kamelhaarmänteln

Slow Fashion fühlt sich nicht nur gut an, sondern kann Geschichten erzählen. In ihrem 2020 erschienenen Buch „Männer in Kamelhaarmänteln“ versammelt Elke Heidenreich genau solche Geschichten. Eine Lektüre, die Leichtigkeit in den Lockdown bringt und den eigenen Kleiderschrank mit neuen Augen sehen lässt.

Ich liebe solche Erzählungen. Meine Tante Christa kannte eine zu jedem Kleid in ihrem Schrank. Ihre Erinnerung an wichtige Ereignisse war stets verbunden mit dem dazugehörigen Kleidungsstück und ich war gespannt auf diese verborgenen Schätze. Das Gefühl und die Kleider meiner Tante waren sofort präsent beim Lesen der „Kurzen Geschichten über Kleider und Leute“, wie der Untertitel besagt.

In kleinen pointierten Anekdoten erzählt Elke Heidenreich anhand von persönlichen Kleidungsstücken aus ihrem bewegten Leben, berichtet von modischen Verfehlungen mit Heinz Rühmann oder Karl Lagerfeld und entlarvt die Mode-Schubladen in unseren Köpfen. Was passiert, wenn die ehemalige Jugendliebe nach vielen Jahren zu einem Treffen im jägergrünen Jackett mit Goldknöpfen erscheint? Der Seitensprung ist zwar angedacht, wenn nur die Goldknöpfe nicht wären.

Die Geschichten sind mal in der ersten, mal in der dritten Person geschrieben, mal sehr persönlich, mal literarisch, z.B. wenn sie davon träumt, welche Kleidung Karl Marx, Ernest Hemingway und Dorothy Parker tragen, während sie im Himmel an der Bar stehen. Und da Elke Heidenreich sehr belesen und musikalisch interessiert ist, fehlen auch entsprechende Bezüge nicht, wie zu Erich Kästner oder Gottfried Keller. Auch Mozart und Ravel sollen sehr viel Wert auf Kleidung gelegt haben, was ihnen ebenfalls eine Geschichte einbringt.

Aber die liebsten Geschichten sind mir tatsächlich jene von Kleidern, die die Autorin schon lange begleiten, das Seidenkleid der Mutter mit den Mottenlöchern, die Jacke der verflossenen Liebe, in die sie sich auch später noch schmiegt, der verwechselte Mantel, der in eine Beziehung mündet, von der am Ende doch wieder nur der Mantel bleibt.

Das Buch wird abgerundet mit ein paar Geschichten berühmter Filmkleider: z.B. Audrey Hepburn im kleinen Schwarzen in Frühstück bei Tiffany“, Marlene Dietrich im Frack in „Marokko“ oder das rote Kleid von Julia Roberts in „Pretty Woman“. Man hat die Szenen sofort vor Augen.

Insgesamt ein bereicherndes Potpourri kleiner inspirierender Appetithäppchen aus einem reichhaltigen Slow Fashion-Büfett, in dem Elke Heidenreich mit dem für sie typischen Humor das Leben in der Kleidung präsentiert.

 

Elke Heidenreich „Männer in Kamelhaarmänteln – Kurze Geschichten über Kleider und Leute“ ist am 21.09.2020 im Hanser Verlag erschienen und hat 221 Seiten.

Andrea Lindner schreibt auf ihrem Blog contextil.de über textile Themen und regelmäßig Gastbeiträge auf bellaleyk.com.

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